Die Hinterbühne der Freiwilligkeit
Arbeit und soziale Reproduktion im Spannungsfeld von Notwendigkeit und Privileg
Arbeit und soziale Reproduktion im Spannungsfeld von Notwendigkeit und Privileg
Im Anschluss an die in der ersten Förderphase erarbeitete Analyse von Freiwilligkeit als Ressource in der digitalen Ökonomie richtet sich das Forschungsinteresse in der zweiten Förderphase auf Freiwilligkeit als relationales Phänomen im Gefüge sozialer Ungleichheit(en) am Beispiel Deutschland und den USA. Wir gehen davon aus, dass freiwilliges Handeln – etwa im sozialen Engagement oder in der politischen Aktivität – a) (autonome) Kontrolle über Zeit und Freiräume und damit vor allem Entlastung von der für alle Menschen notwendigen Reproduktionsarbeit erfordert. In diesem Sinne ist Freiwilligkeit b) intersektional systematisch ungleich verteilt und setzt c) oftmals die Delegation von notwendiger Arbeit an (häufig migrantisierte) Dritte voraus, was d) unter den Bedingungen von Digitalisierung und Plattformökonomie erheblich erleichtert wird. Freiwilligkeit wird dementsprechend als tendenziell privilegierte und relationale Ressource untersucht. Wir fragen im deutsch-US-amerikanischen Vergleich danach, wo, für wen und wie Handlungsräume entstehen, die mit freiwilligen Aktivitäten gefüllt werden (können). Das Forschungsinteresse richtet sich somit auf das Bedingungsgefüge von Freiwilligkeit als Privileg, fragt nach der Bedeutung von Formen tendenzieller ‚Unfreiwilligkeit‘ in diesem relationalen Gefüge sowie nach der konstitutiven Rolle von digitalen Infrastrukturen.
Methodisch verfolgt das Projekt dabei eine qualitative Untersuchung der Ketten von Externalisierung. Den Ausgangspunkt dafür bilden Haushalte, deren Mitglieder sich substanziell freiwillig engagieren. Davon ausgehend werden im zweiten Schritt die dem jeweiligen Haushalt zugehörigen Mitglieder, Dienstleister:innen sowie Beschäftigte in Dienstleistungsunternehmen untersucht, die – oftmals digital vermittelt – notwendige reproduktive Arbeiten übernehmen und damit Freiräume für freiwillige Aktivitäten ermöglichen. Der doppelte Fokus auf die Grenzbereiche und die impliziten (sozialen, ökonomischen) Voraussetzungen von Freiwilligkeit verfolgt dabei das Ziel, Freiwilligkeit soziologisch als auch begrifflich-analytisch zu schärfen und zu fundieren.