Das Teilprojekt untersucht das Verhältnis von Freiwilligkeit und Gesundheit in den USA in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es zeigt, erstens, wie freiwillige Selbstsorge um Körper und Gesundheit in dieser Zeit zu einem gesellschaftlichen und politischen Leitmotiv zu werden begannen. Die Freiwilligkeit des Kümmerns um den eigenen Körper avancierte zum Zeichen der Fähigkeit zu verantwortlichem Handeln und damit zu politscher Teilhabe in einer freiheitlichen Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund geht das Teilprojekt, zweitens, der Frage nach, inwieweit die Aufforderung zur freiwilligen körperlichen Selbstsorge ab 1865 auch die vier Millionen ehemals Versklavten adressierte. Drittens untersucht das Teilprojekt, welche Selbstverhältnisse Freedpeople zu ihren Körpern und ihrer Gesundheit pflegten und ob sich diese im Zuge der Emanzipation wandelten. Die Frage der körperlichen Selbstsorge der ehemals Versklavten soll aus der Perspektive der Betroffenen selbst angegangen werden. Untersucht werden präventive Gesundheitspraktiken, die Freiwilligkeit, Selbstverantwortung und Kompetenz voraussetzen, zugleich aber in einem Feld von Erwartungen, Notwendigkeiten und differierenden Möglichkeiten (je nach Akteur:in) vollzogen werden.
Das Teilprojekt untersucht, wie Freiwilligkeit als Ressource von Gesundheit ebenso wie der Anerkennung als liberales Subjekt fungierte, das mit seiner Freiheit umzugehen versteht, indem es sich um seinen Körper sorgt. Es zeigt, wie dabei über Freiwilligkeit Differenz erzeugt wird, je nachdem, inwieweit die Fähigkeit, freiwillig zu handeln, zugebilligt und ermöglicht wird. Methodisch verschränkt das Teilprojekt diskursanalytische Elemente mit Nahaufnahmen auf die Gesundheitspraktiken und Selbstpositionierungen der (ehemals) Versklavten. Als Quellen werden zeitgenössische Publikationen, Selbstzeugnisse der (ehemals) Versklavten in Form von Interviews und Lebenserzählungen sowie die Aktenbestände des Freedmen’s Bureau und seiner Medical Division herangezogen.
Das Teilprojekt leistet einem wichtigen Beitrag zu der Forschungsgruppe insgesamt. Erstens wendet es sich mit Gesundheit und Differenz einem Thema zu, dessen Dringlichkeit die Coronakrise noch einmal unterstrichen hat. Zweitens trägt es dazu bei, die besondere politische Bedeutung von Freiwilligkeit in Umbruchsphasen genauer zu bestimmen. Drittens nimmt es eine von den postkolonialen Studien und den Black Studies inspirierte Perspektive ein, indem es Subalterne als Akteur:innen ins Zentrum rückt.